Hundewissen

Was ist “selbstbelohnendes Verhalten” und wie kann man es effektiv im Hundetraining nutzen?

Was ist “selbstbelohnendes Verhalten” und wie kann man es effektiv im Hundetraining nutzen?

Über den Ausdruck “selbstbelohnendes Verhalten” sind wohl die meisten Hundehalter in ihrem Leben schon gestolpert. Genauso wie “positive Verstärkung”, “Jagdtrieb” und “Unterordnung” gehört es zu den “legendären” Begriffen, denen man in der Hunde-Szene einfach nicht entkommt – und in diesem Falle aus gutem Grund!

blaues hundeauge husky Hundeschule Fellnase
Ist Augenkontakt mit dem Hund selbstbelohnend für den Menschen? (Ja)

Wozu dient selbstbelohnendes Verhalten?

Für die einfachste Erklärung müssen wir einen kurzen Umweg schlagen – nämlich zum Vorfahren des Haushundes, dem Wolf. Auch der Wolf verfügt über eine Vielzahl von selbstbelohnenden Verhalten. Eines davon nehmen wir etwas genauer unter die Lupe, nämlich das Jagdverhalten.


Dieses Jagdverhalten beinhaltet mehr Verhaltensweisen als nur “Jagen-Töten-Fressen”. Immerhin muss der Wolf seine Beute ja erstmal finden. Der genaue Ablauf eines solchen Jagdverhaltens würden den Rahmen dieses Beitrages sprengen, deshalb werde ich dieses Thema in einem anderen Beitrag beleuchten. Was wir jedoch unbedingt wissen müssen, ist die Erfolgsquote des Wolfes bei der Jagd. Diese ist nämlich erschreckend gering.

Je nach Ursprungsland des Wolfes gibt es hier selbstverständlich Unterschiede. Bei den mitteleuropäischen Wölfen liegt die Erfolgsquote bei der Jagd jedoch nur bei etwa 10% (Quelle: https://chwolf.org/woelfe-kennenlernen/biologie-ethologie/jagd-und-fressverhalten).

Und genau diese geringe Erfolgsquote ist der Grund dafür, dass selbst diese Handlung beim Wolf ein gutes Gefühl auslöst. Zunächst erschließt sich der Zusammenhang nicht ganz, das verstehe ich. Schauen wir uns das ganze also doch ein wenig genauer an.

Jaeger nutzen selbstbelohnendes Verhalten ihrer Jagdhunde für ihre Zwecke
Jäger nutzen das selbstbelohnende Jagdverhalten der Hunde zu ihren Zwecken.

Jagdverhalten – das berühmteste selbstbelohnende Verhalten unter die Lupe genommen.

Wie wir eben gelernt haben, hat der Wolf eine Jagderfolgsquote von rund 10%. Außerdem haben die meisten Hundehalter schon davon gehört, dass Jagdverhalten selbstbelohnend ist. Woher kommt nun der Zusammenhang? Wie kann ein Verhalten, welches so oft scheitert, das Individuum selbst belohnen?

Wir sind uns wahrscheinlich alle darüber einig, dass die Jagd für den Wolf eine überlebenswichtige Notwendigkeit darstellt. Durch Beobachtungen an wild lebenden Tieren konnte man zwar beobachten, dass sich auch Wölfe gelegentlich von Aas ernähren, dennoch gibt es leider keine Garantie dafür, dass der Wolf dies in ausreichender Menge in der Natur findet. Das macht die Verhaltensweise “Jagd” so wichtig.

mongolischer wolf in winterlandschaft Hundeschule Fellnase
Der Wolf muss sich in seiner Umwelt orientieren um sich sicher zu fühlen.

Würde das Tier nun aufgrund seiner geringen Erfolgsquote die Jagd einstellen, stünde der Sensenmann in kürzester Zeit vor der Tür. Hier spielt nun eine grundlegende Fähigkeit des Gehirns von Säugetieren eine unglaublich wichtige Rolle: Das Gehirn versucht mit allen Mitteln nicht zu sterben. Klingt absolut banal, bewusst darüber nachgedacht haben aber bislang die wenigsten Leute.

Das Gehirn versucht nun also alle Verhaltensweisen, die dazu führen, dass das Überleben gesichert ist, zu behalten. Immerhin könnte jede Futterquelle oder jeder sichere Unterschlupf irgendwann einmal das eigene Überleben oder zumindest das Fortbestehend der eigenen Art sichern ( – und ja, Tierarten sind sehr an dem Fortbestehen ihrer Art interessiert).

Über die Evolution des Wolfes hinweg haben sich vor Allem die Tiere fortgepflanzt, die besonders gut an ihre Umwelt angepasst waren und in der Welt ausreichend Futter, Trinkwasser und Unterschlupf gefunden haben. (Auch das klingt banal, aber ich sage es lieber dazu: ) Die Tiere, die dazu nicht in der Lage waren, litten an Hunger und sind entweder aufgrund Mangelernährung, Erkrankung oder allgemein zu geringer Anpassung an ihre Umwelt ausgestorben.

Welche selbstbelohnenden Verhalten gibt es noch?

Jede Menge – ein guter Anhaltspunkt ist immer der ursprüngliche Verwendungs- und Zuchtzweck der jeweiligen Hunderasse. Man hat nicht jeder Generation von Vorstehhunden das Verhalten erneut beigebracht. Das hätte so viel Zeit und Mühe gekostet, dass der Mensch die Zucht schnell aufgegeben hätte.

Stattdessen hat man mit Hunden gezüchtet, die diese Verhaltensweisen selbstständig und gerne zeigten. Dieses Prinzip trifft auf (fast) alle Hunderassen zu. Und ein Verhalten, welches der Hund aus eigenem Antrieb und selbstständig, also ohne Fremdeinwirkung zeigt, ist automatisch selbstbelohnendes Verhalten.

So gehört es beispielsweise bei den meisten Herdenschutzhunden zu den selbstbelohnenden Verhaltensweisen skeptisch auf fremde Menschen zu reagieren. Oder beim Beagle seine Nase und sein Gebell dazu zu benutzen, Füchse und andere Tiere ausfindig zu machen und aufzuschrecken.

Ich persönlich Nutze ein selbstbelohnendes Verhalten des Australian Shepherds für meine Freizeitgestaltung mit Shadow:
Diese Rasse wurde vorwiegend dazu gezüchtet, neben den berittenen Ranchern herzulaufen und Rinder zu treiben.

Nein. Ich treibe keine Rinder. Aber ich mache mit Shadow sehr gerne Fahrradtouren durch unseren Landkreis. Während der Fahrt mache ich mir nahezu keine Gedanken darum, ob er noch in meiner Nähe ist und ob er nicht gleich davonläuft, wenn er etwas spannendes sieht.

Neben dem “berittenen” Hundetrainer herzulaufen und die Gliedmaßen beim Laufen durchzustrecken macht ihm nämlich so viel Spaß, dass er schon einige Katzen, Hasen und andere Hunde stehen lassen hat, um mit mir zusammen Rinder zu treiben – Quatsch aber ich bin mir sicher, ihr versteht worauf ich hinaus will.

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Für mich sind diese Fahrradtouren mit Shadow übrigens auch selbstbelohnend 🙂

Wie kann ich selbstbelohnendes Verhalten im Training nutzen?

Sicher sollt ihr jetzt nicht nach jedem “SITZ” eurer Hunde anfangen, ausgiebige Fahrradtouren zu starten. Allerdings gibt es dennoch Verhaltensweisen, die wir an das Ende einer einzelnen Übungssequenz mit unseren Hunden setzen können, um die Hunde allein durch ihr Verhalten zu belohnen.

Bleiben wir bei den Beispielen für eine leichte Veranschaulichung bei Shadow. Ich kann inzwischen aufgrund der Zucht, Haltung und der Erfahrung mit ihm zusammen ausmachen, was ihm Spaß macht, ohne dass ich ihn dazu motivieren muss. Eine dieser Verhaltensweisen habe ich oben schon genannt: Rennen.

In den ersten Monaten in denen Shadow bei uns lebte haben wir einige unserer Trainings indoor veranstaltet – immerhin war Winter und ich hatte auch nicht immer Bock auf “Zwiebellook” und kalte Zehen. Also war eines der ersten Dinge, die ich ihm beigebracht habe, Gegenstände zu umrunden. Immerhin ging das Indoor und gab uns großes Potenzial für verschiedene Übungen.

Anfangs wusste Shadow selbstverständlich nicht, was er mit den großen blauen Kegeln anfangen sollte, die in unserem Wohnzimmer stehen. Mit der Zeit kam aber Übung. Mit der Übung kam die Leichtigkeit und Einfachheit. Und Dinge die leicht und einfach sind, werden sehr viel wahrscheinlicher abgespielt, als neue Verhaltensweisen, die in ihrer Umsetzung noch viel Konzentration und Mühen brauchen – selbst wenn diese selbstbelohnenden Verhalten genetisch fixiert sind.

Inzwischen hat Shadow unglaublich viel Spaß an dieser Beschäftigung. Gleichzeitig kann ich diesen Spaß ausnutzen, um Shadow zur Belohnung nach einer erfolgreichen Übung um einen Gegenstand zu schicken – immerhin macht ihm das Spaß. Er wird also für erfolgreiche Zusammenarbeit mit etwas belohnt, was ihm von sich aus gefällt – ohne dass ich es zusätzlich mit Futter aufhübschen muss.

Inzwischen hat Shadow so große Freude daran, Gegenstände zu umrunden, dass wir daraus unser eigenes “Freestyle-Longieren” entwickelt haben und dies immer weiter verbessern. Außerdem hat sich eine ganz vorzügliche Überraschung bei unseren Fahrradtouren gezeigt. Durch Zufall und Blödelei habe ich entdeckt, dass Shadow sich während der Fahrt um das Fahrrad herum longieren lässt.

Was zunächst sinnlos und unpraktisch erscheint ist aber absolut unbezahlbar, wenn ich möchte, dass er auf der anderen Seite des Fahrrads läuft. Also, dass er von links nach rechts oder von rechts nach links wechselt. Dies musste ich nicht mehr extra mühselig aufbauen, sondern ist mehr oder weniger durch glückliche Umstände beim Longieren entstanden.

Die Idee für das Fahrradfahren mit Hund hatte ich übrigens aufgrund dieses absolut wunderschönen Videos von der Firma Shimano:

Fazit

Selbstbelohnende Verhalten sind aufgrund der Stammesgeschichte für den Hund etwas überlebenswichtiges. Häufig sind diese Verhaltensweisen leider inkompatibel mit den Vorstellungen der Halter oder der Gesellschaft und müssen umständlich abtrainiert oder in kontrollierte Bahnen geleitet werden.

Jedoch haben diese Verhaltensweisen auch etwas gutes an sich. Sie verschaffen uns ein besseres Verständnis über unsere Hunde und deren Vorlieben. In vielen Fällen können wir die Hunde mit diesen Verhaltensweisen auch ohne große Mühen im Hundetraining belohnen.

Ich hoffe, dieser Beitrag konnte dir ein bisschen Wissen und Anregungen zum Thema “selbstbelohnendes Verhalten” vermitteln. Wenn du Interesse an mehr Wissenswerten Themen hast, besuche doch unseren Blog.
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FAQ

Was heißt “selbstbelohnend”?

Das ist eigentlich ziemlich einfach. Es bedeutet, dass eine Handlung selbst ein angenehmes Gefühl auslöst. Dabei spielt es keine Rolle, ob diese Empfindung der Aufregung beim Achterbahn fahren gleicht, oder dem entspannendem Gefühl, wenn man sich zuhause auf seine gemütliche Couch setzt.

Muss man “selbstbelohnendes Verhalten” noch zusätzlich belohnen?

Nein.
Im Gegenteil – in den meisten Fällen ist das nur schädlich. Das spielerische Lernverhalten eines Welpen in seiner Umwelt beispielsweise ist “selbstbelohnend”, weil er erkennt, was ihm Schaden zufügen könnte und was für ihn gut ist. Diese Erkenntnis verschafft ihm Sicherheit. Wenn wir das Ganze durch den Gebrauch von Leckerchen entfremden, entdeckt der Hund nicht mehr mit einer spielerischen Motivation, sondern um ein bestimmtes Ziel zu erreichen, nämlich um Leckerchen zu bekommen. Dadurch wird dem Hund das Gefühl der “Sicherheit” als Belohnung nicht mehr ausreichen.

Kann “selbstbelohnendes Verhalten” schädlich sein?

Leider ja.
Nehmen wir mal an, wir hätten ein ganz leichter Kitzel-Gefühl auf unserer Kopfhaut und durch leichtes kratzen wäre dieses Gefühl weg. Aufgrund von unbeeinflussbaren Umweltfaktoren (wie z.B. Allergien) tritt dieses Gefühl nun häufiger auf und wir kratzen uns häufiger am Kopf. Soweit so gut – noch kein Problem zu erkennen.
Bleibt das Kratzen am Kopf jedoch die einzige Handlung, die eine Besserung verspricht, so sieht die Sache schnell anders aus. Haben wir nun zum Beispiel eine Verletzung am Kopf und kratzen diese immer wieder auf und erfahren dadurch Erleichterung, weil danach das störende Kitzel-Gefühl ausbleibt, würden wir uns unbewusst selbst verletzen.
Selbstverständlich gibt es hier aber noch eine Vielzahl anderer Beispiele.

Wann ist ein Verhalten “selbstbelohnend”?

Sobald die Durchführung einer Handlung selbst ein angenehmes Gefühl auslöst.
Wir Menschen kennen das von unseren Hobbies. Manche Menschen spielen in ihrer Freizeit gerne Gitarre, andere Wandern gerne, wieder andere spielen Videospiele. Keine dieser Handlungen hat einen direkten offensichtlichen Vorteil für uns. Das Spielen der Gitarre macht uns nicht satt. Das Wandern verschafft uns keine Sicherheit und das Spielen von Videospielen verbessert nicht unseren Status in unserem Sozialgefüge.
Dennoch wirken diese Dinge auf die Menschen belohnend, weil wir dadurch entspannen können, uns an der Umwelt erfreuen und Bergluft atmen können oder auch weil wir in Videospielen unsere Fertigkeiten anderen Spielern präsentieren können.

Haben alle Hunde die gleichen “selbstbelohnenden Verhalten”?

Ja und Nein.
Das Erkundungsverhalten von Hunden ist zum Beispiel bei allen Hunden genetisch fixiert. Das bedeutet, dass es jeder Hund gut findet, seine Umwelt zu erkunden. Anders sieht es jedoch bei gebrauchsspezifischem Verhalten aus. Altdeutsche Hütehunde finden es super, Lebewesen (im Optimalfall Schafe) zu kontrollieren. Ein Border Collie hingegen kontrolliert diese Tiere nicht. Diese Rasse hetzt bzw. treibt diese Tiere. Auf diese Idee würde beispielsweise ein Basset nie kommen.
Es gibt also je nach Rasse und Lebensumfeld unterschiedliche selbstbelohnende Verhalten.

Kann man selbstbelohnende Verhaltensweisen abtrainieren?

Potenziell ja – wobei man sich das Verhalten und das jeweilige Individuum immer im Einzelfall betrachten muss. Manche Verhaltensweisen werden durch unbewusste Bestätigung durch den Halter oder andere intermittierende Verstärkungen (dazu folgt ein Blog-Beitrag) am Leben gehalten. Solange dies passiert, kann man die Verhaltensweisen nicht abtrainieren.

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1 Gedanke zu „Was ist “selbstbelohnendes Verhalten” und wie kann man es effektiv im Hundetraining nutzen?“

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